Racialized Capitalism?

Round table
Mai 30, 2022 18:00 - 20:00
Humboldt Universität zu Berlin, Audimax II (Hörsaalzelt) Philippstr. 13/ Luisenstraße 56

Welche Rolle spielt Rassismus für die Analyse kapitalisitischer Gesellschaften? Sind kapitalistische Gesellschaften notwendigerweise rassistisch? Robin Celikates disktutierte mit Manuela Bojadžijev, Nancy Fraser und Bafta Sarbo.

Thema

In seinem Klassiker „Black Marxism“ von 1983 verwendete Cedric J. Robinson den Begriff „racial capitalism“, um deutlich zu machen, dass der industrielle Kapitalismus als historische Tatsache auf der Grundlage von Kolonialismus und Sklaverei aufgebaut wurde und dass die kapitalistische Akkumulation weiterhin vermittels rassistischer Differenzierung und Hierarchisierung funktioniert. In den letzten Jahren hat der Begriff „racial capitalism“ nicht nur anhaltende theoretische Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sondern ist auch zu einem wichtigen Bezugspunkt sozialer Bewegungen, wie der Black Lives Matter-Bewegung, geworden. Es ist unschwer zu erkennen, warum: Rassistische Zuschreibungen (ähnlich wie Geschlecht) strukturieren, wer Zugang zu Arbeitsplätzen, Löhnen, Wohnraum, Krediten, grenzüberschreitender Mobilität und anderen sozialen Gütern hat. Anderseits sind Austerität, Polizeigewalt, Inhaftierung, Umwelt- und Gesundheitsrisiken in grundlegender Weise rassistisch geprägt.

In dieser Diskussionsrunde haben wir einige der zentralen Fragen erörtert, die die Hinwendung zum Term des „racial capitalism“ aufwirft: Wenn der Kapitalismus notwendigerweise rassistisch ist, was macht ihn dann so? Wenn „race“ und Geschlecht nicht zufällig, sondern konstitutiv für den Kapitalismus sind, wie kann dann das Verhältnis zwischen Klasse, „race“ und Geschlecht so konzeptualisiert werden, dass auch ihre Neuausrichtung in der aktuellen Konstellation nachvollzogen werden kann? Wenn „race“ im Rahmen von „racial capitalism“ nicht in erster Linie eine Identität, sondern eine Machtstruktur ist, wie wirkt sich dies auf unsere Analyse sowohl des Kapitalismus als auch der Bewegungen aus, die gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen? Und wenn das universelle Proletariat nicht länger als revolutionäres Subjekt dienen kann, wie sieht dann der Horizont für antikapitalistische Kämpfe und Formen der Solidarität heute aus?

 

Gäste

Manuela Bojadžijev ist Professorin am Institut für Europäische Ethnologie und Co-Leiterin der Abteilung »Soziale Netzwerke und kulturelle Lebensstile« des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt Universität zu Berlin. Sie ist an zahlreichen Forschungsprojekten rund um die Themen Arbeit, Migration und Digitalisierung beteiligt. Zuletzt erschien von ihr die Monographie „Die windige Internationale: Rassismus und Kämpfe der Migration“.

Nancy Fraser ist Henry und Louise A. Loeb Professorin für Philosophie und Sozialwissenschaften an der New School for Social Resarch. Sie arbeitet zu Sozialphilosophie und politischer Theorie. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Kritik des Kapitalismus, den sie im weitesten Sinne nicht als Wirtschaftssystem, sondern als institutionalisierte Gesellschaftsordnung begreift, die vielfältige Formen der Unterdrückung und Krisentendenzen in sich birgt. Derzeit bereitet sie ein neues Buch vor: Cannibal Capitalism. How Our System Is Devouring Democracy, Care, and the Planet and What We Can Do About It (erscheint vorraussichtlich im Herbst 2022).

Bafta Sarbo studiert Sozialwissenschaften und beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Marxismus und Antirassismus. Sie hat zahlreiche Artikel veröffentlicht, unter anderem in der Zeitung „analyse&kritik“, der Zeitung „OXI“ und „Jungle World“. Sie ist politisch aktiv im Vorstand der Initiative „Schwarze Menschen in Deutschland“, wo sie sich mit Racial Profiling, Migrationspolitik und Rassismus in Deutschland beschäftigt.

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