Die gegenwärtige ökologische Krise scheint tief mit der kapitalistischen Ausbeutung der Natur verbunden zu sein. Stellt ein sozialistisches Gesellschaftsmodell eine adäquate Problemlösung dar? Wo liegen die Grenzen der kapitalistischen Wandlungsfähigkeit? Wir disktuierten mit Klaus Dörre, Nancy Fraser und Raul Zelik.
Die Veranstaltung fand in englischer Sprache statt.
Thema
Aus ökologischer Sicht hat der Kapitalismus erhebliche Nachteile: Nicht nur erschöpft seine Wachstumslogik vorhandene Ressourcen in rasender und ständig zunehmender Geschwindigkeit, das Belohnungssystem des Kapitalismus verführt auch noch dazu, natürliche Reichtümer auszubeuten, weil sie nichts kosten. Sind die Rohstoffe vernutzt, bestraft der systemische Zwang zur Kostenminimierung in einer kapitalistischen Ökonomie zudem jene, die die Folgen von Konsum und Produktion nicht auf andere abwälzen. In der Folge vermüllen Meere und die Atmosphäre gerät durch industrielle Abgase nach saurem Regen und Ozonloch gerade endgültig an den Rand des Kollapses.
Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner genauen Kenntnis der marxschen Exzerpte zur industriellen Landwirtschaft, um zu sehen, warum seine Theorie dazu, wie der Kapitalismus funktioniert, in ökologischen Diskussionen der Gegenwart eine Renaissance erfährt. Immer häufiger ist die Diagnose zu vernehmen: Im Kapitalismus sind die aktuellen ökologischen Krisen nicht zu lösen. Es bräuchte eine andere (mangels eines besseren Namens: „sozialistische“) Gesellschaft.
So überzeugend die Diagnose der Ursachen für die vielfältige ökologische Krise auch ist, der Vorschlag im Sozialismus die Lösung der Probleme zu sehen, muss überraschen. Weder die real existierenden sozialistischen Staaten des 20. Jahrhunderts noch der Sozialismus des 21. Jahrhunderts in China und Venezuela haben eine überzeugende ökologische Bilanz. Im Gegenteil scheint es geradezu so, als ob der entfesselte Innovationsgeist des Kapitalismus den ökologischen Umbau gerade zum neuesten Wachstumsgaranten entwickelt. Wir diskutierten deshalb mit drei von Marx inspirierten Befürworter:innen eines ökologischen Sozialismus, die Grenzen der kapitalistischen Wandlungsfähigkeit und ihre Ideen einer zukunftsfähigen demokratischen Gesellschaft.
Gäste
Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zusammen mit Hartmut Rosa leitet er das DFG-Kolleg „Postwachstumsgesellschaften“. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch „Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution“ bei MSB Matthes & Seitz Berlin.
Nancy Fraser ist Henry und Louise A. Loeb Professorin für Philosophie und Sozialwissenschaften an der New School for Social Resarch. Sie arbeitet zu Sozialphilosophie und politischer Theorie. Im vergangen Jahr erschien ihr Artikel “Climates of Capital”. In ihm analysiert sie die ökologische Krise im Rahmen ihres umfangreichen Kapitalismusbegriffs.
Raul Zelik ist Autor, Politikwissenschaftler und Übersetzer. Er forscht zu Krisen und Konflikten in Lateinamerika und Spanien. Zelik war Associate Professor für Internationale Politik an der Universidad Nacional de Colombia und unterrrichtete Politische Theorie in Berlin, Kassel und Bogotá. Zuletzt erschien im Suhrkamp-Verlag sein Buch „Wir Untoten des Kapitals. Über politische Monster und einen grünen Sozialismus“.