Freiheit in den Grenzen der Natur

in Context
Juli 9, 2025 19:00 - 21:00
Roter Salon, Volksbühne Rosa-Luxemburg-Platz 1, Berlin

Vortrag von Kohei Saito und Diskussion mit Rahel Jaeggi und Thomas Khurana

Topic

In den letzten Jahren wurden bahnbrechende Interpretationen der marxschen Freiheitstheorie vorgelegt. Martin Hägglunds „demokratischer Sozialismus“ haucht dem Konzept der „frei verfügbaren Zeit“ aus den Grundrissen neues Leben ein, und Bruno Leipolds „sozialistischer Republikanismus“ betont die überzeugende Verteidigung eines Verständnisses von Freiheit als Nicht-beherrscht-Werden bei Marx. Für Kohei Saito sind beide Ansätze wichtig, um einen Begriff post-kapitalistischer Freiheit zu entwickeln. Aber es gelinge ihnen nicht, die marxsche Idee des Kommunismus auf die Höhe des Anthropozäns zu bringen, weil sie die Sphäre der Natur nicht ausreichend berücksichtigten. Die Herrschaft über die Natur, so wird Saito argumentieren, hängt eng mit der Herrschaft über die Mitmenschen zusammen, was es unmöglich mache, die beiden Sphären voneinander zu trennen – besonders unter den Bedingungen einer planetarischen ökologischen Krise. Marx habe schon in den 1870er Jahren versucht, über sein produktivistisches und anthropozentrisches Freiheitsverständnis hinauszugehen. Sein Konzept eines Post-Wachstumskommunismus etabliere in den 1880ern eine neue „ökologische Freiheit“, die die dualistische Weltsicht des Kapitalismus hinter sich lasse, mit ihren Gegensätzen Gesellschaft/Natur, produktiver Arbeit/unproduktiver Natur und Freiheit/Notwendigkeit. So gesehen ist für Saito der marxsche Post-Wachstumskommunismus der erste Versuch, eine ökologische und dekoloniale Vorstellung von Freiheit zu entwerfen, die unvollendet blieb. Wie die Konsequenzen dieser Vorstellung für eine Belebung der Kritischen Theorie und das kollektive Überleben auf unserem endlichen Planeten ausbuchstabiert werden können, werden Rahel Jaeggi und Thomas Khurana mit Kohei Saito diskutieren.