Hans-Jürgen Urban wird am Abend des 07.05.2025 im Auditorium des Grimmzentrums einen Vortrag mit dem Titel „Sozial-ökologische Transformation und Demokratisierung der Wirtschaft. Zwei Seiten einer Medaille?“ halten, gefolgt von einem Kommentar von Sabine Nuss, Gelareh Shahpar und Lea Prix.
Topic
Die Industrie Deutschlands sowie weltweit steht unweigerlich vor einschneidenden Veränderungen. Neben Umbruchsprozessen der Globalisierung, Digitalisierung und des demographischen Wandels stellt die ökologische Transformation die Gesellschaft, die Wirtschaft und die sozialen Akteure vor ganz neue Herausforderungen. Der ökologische Umbau der Wirtschaft bedeutet dabei nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Gewerkschaften als einem besonderen Akteur im sozial-ökologischen Transformationsprozess einen schwierigen Balanceakt. Wie sich an dem zentralen Pfeiler der deutschen Ökonomie, der Automobilindustrie zeigt, betrifft das Thema der Dekarbonisierung zugleich das Problem einer sich verschärfenden Klassenauseinandersetzung, Arbeitslosigkeit und Armut der Beschäftigten. Die aus Sicht der Gewerkschaften zentrale Sicherung von Arbeit ist jedoch erschwert und weitere soziale Spaltungen und Verteilungskonflikte sind absehbar, insofern die alten Strategien, die auf ein fossiles Wirtschaftswachstum zur Bekämpfung von ökonomisch-sozialen Krisen setzen, aus Gründen der ökologischen Verträglichkeit nicht einfach fortgeführt und seitens der Gewerkschaften ohne weiteres befürwortet werden können.
So unsicher die Lage für die Industrie, die abhängig Beschäftigten und die Gewerkschaften angesichts der multiplen Krisensituation ist, ist indes klar: Wenn die Schlüsselaufgabe einer Ökologisierung der Gesellschaft angegangen werden soll, hat die Wirtschaft insgesamt stärker mit der kapitalistischen Markt- und Profitlogik zu brechen. Vor diesem Hintergrund bleibt ernsthaft zu erwägen, ob eine umfassende Vergesellschaftung und Demokratisierung der Schlüsselindustrien, die vonseiten der Gewerkschaften (wie der IG Metall) wiederholt aufgebracht wurden, ein wirkmächtiges Instrument zur Ermöglichung der öko-sozialen Transformation abgeben kann. Kurzum: Ökologie und Demokratie sind zwei Seiten einer Medaille und nicht getrennt voneinander zu realisieren. Diese Doppelallianz bedeutet auch für die Gewerkschaften eine besondere Rolle in der sozial-ökologischen Transformation einzunehmen und Gewerkschaftspolitik als umfassendes Projekt der Demokratisierung und Dekarbonisierung der Industrie, Wirtschaft und Arbeit neu zu definieren.
Hans-Jürgen Urban
Hans-Jürgen Urban ist Gewerkschafter und Sozialwissenschaftler. 2023 wurde ihm eine Honorarprofessur für Soziologie an der Jenaer Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften verliehen. Neben diversen Funktionen ist Urban seit 2007 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und dort für Sozialpolitik, Arbeitsgestaltung und Qualifizierungspolitik zuständig. Zuletzt erschien von ihm die im Gespräch mit Stephan Hebel entstandene Monografie „Krise. Macht. Arbeit. Ein Gespräch über Krisen des Kapitalismus und Pfade in eine nachhaltige Gesellschaft“ (Frankfurt/Main: Campus 2023).
Diskutantinnen
Sabine Nuss ist Politologin, Journalistin und Publizistin. Nach ihrer Ausbildung zur Redakteurin an der Axel Springer Journalistenschule Hamburg studierte sie Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und promovierte über Eigentum im digitalen Kapitalismus. Sie ist Herausgeberin und Autorin verschiedener Bücher zu den Themen Naturverhältnisse im Kapitalismus, Eigentum & Vergesellschaftung, sowie Digitalisierung. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Prokla, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaften, sowie Co-Host des Wirtschaftspodcast „Armutszeugnis“. Von Januar bis Dezember 2025 ist sie Fellow am Centre for Social Critique.
Lea Prix ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie und Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dortmund. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Sozial- und Politischen Philosophie und hier genauer in der Wirtschaftsphilosophie und der Philosophie der Arbeit.Vor ihrer Tätigkeit in Dortmund war Lea lange Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre und hat hier u.a. an mehreren Bildungsworkshops bei der IG-Metall mitgewirkt.
Gelareh Shahpar hat bis 2022 Philosophie an der Humboldt Universität zu Berlin studiert und von März 2020 bis April 2021 als studentische Hilfskraft am Centre for Social Critique sowie am Lehrstuhl von Prof. Rahel Jaeggi gearbeitet. Seit 2023 arbeitet sie bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Hannover, wo sie gewerkschaftliche Strukturen in Betrieben der Energie- und Wasserwirtschaft aufbaut.