Welche Gesellschaftstheorie braucht eine kritische Theorie heute?
Braucht es heute noch eine umfassende Gesellschaftstheorie, die den Zusammenhang und die Wechselwirkung der verschiedenen gesellschaftlichen Sphären klärt? Oft genug haben gesellschaftstheoretischen Entwürfe versucht, diese Aufgabe zu bewältigen, indem sie klare Hierarchien und Ableitungsverhältnisse postulierten. Und es war diese Strategie, die Gesellschaftstheorie für viele der neuen sozialen Bewegungen unattraktiv gemacht hat. Heute jedoch steht die Frage nach dem, was die Erb:innen dieser Bewegungen miteinander verbindet oder es zumindest erlaubt, die Konflikte zwischen ihnen auf einer theoretischen Ebene zu bearbeiten. Sollen die vielgestaltigen konkreten Erfahrungen der Ausbeutung, der Diskriminierungen, des Ausschlusses und so weiter nicht auf einen ebenso abstrakten wie politisch wirkungslosen Nenner wie „Leid“ oder „Ungerechtigkeit“ heruntergebrochen werden, muss dann nicht wieder die Stunde von Theorien schlagen, die versprechen die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrem Zusammenhang zu rekonstruieren?
Interventions
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Gesellschaft als Schicksal, 26 Januar, 2022
Ein Diskussionsbeitrag im Anschluss an den Workshop "Welche Gesellschaftstheorie braucht eine kritische Theorie heute?" des Humanities and Social Change Centers an der Humboldt-Universität zu Berlin am 9. und 10. Dezember 2021.