Die Konvergenz der sozialen Kämpfe

in Context
Februar 17, 2022 18:00 - 20:00
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Wie hängen verschiedene emanzipatorische Kämpfe zusammen? Gibt es einen zentralen Ausgangspunkt für Unterdrückungsverhältnisse, oder handelt es sich um komplexere Vernetzungsstrukturen? Wir diskutierten mit Amna Akbar, Silke van Dyk, Manon Garcia und Romin Khan über tatsächliche Konvergenzen und über die Hindernisse, die einer Zusammenarbeit im Weg stehen.

Thema

„Wer den Sozialstaat bewahren oder gar ausbauen will, muss Migration verhindern.“ Es waren Thesen wie diese, mit denen sich im letzten Jahrzehnt ehemalige Linke ins Lager der rassistischen und sogar völkischen Rechten verabschiedeten. Zugrunde liegt solchen Überlegungen ein Gesellschaftsbild, in dem sich das Elend der einen nur durch die Verschärfung des Elends der anderen aufheben oder auch nur lindern lässt. Die Gegenthese lautet, demokratische Mitbestimmung – gerade auch im ökonomischen Bereich – lässt sich nur dann ausbauen, wenn Mitbestimmung heißt, explizit für Migration, gegen Rassismus und internationalistisch aufzutreten. Auch diese These beruht auf einem Bild der Gesellschaft. Ihm zufolge stehen die Formen der Unterdrückung, Ausbeutung und Herrschaft miteinander in Verbindung, sodass der Kampf gegen eine dieser Formen nur erfolgreich seien kann, wenn Unterdrückung, Ausbeutung und Herrschaft in jeglicher Form überwunden werden. Zwischen beiden Thesen steht noch eine dritte Option: die Suche nach dem zentralen Ausgangspunkt der Ausbeutungs‑, Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnisse einer Gesellschaft. Nur wer in das Herz der Bestie sticht, so die Überzeugung, kann verhindern, dass sich die Köpfe der Hydra endlos vervielfältigen. Die Sorge ist dabei nicht nur, dass sich die emanzipatorischen Bewegungen im Kampf gegen die unzähligen sozialen Ungerechtigkeiten immer weiter verzetteln. Die Sorge ist auch, dass Emanzipation zu einer Variante des Radikalliberalismus verkommt, für den alle Lebensformen das gleiche Existenzrecht haben, solange sie nicht aus dem Rahmen ausbrechen, den das neoliberale Diversity Management vorgibt. Mit unseren Gästen wollen wir darüber sprechen, was für die ein oder andere Option spricht, sobald sie konkrete gesellschaftliche Konflikte in den Blick nehmen: Welche tatsächlichen Erfahrungen sprechen dafür, dass soziale Kämpfe eine gemeinsame Richtung haben? Und welche Dynamiken verhindern eine solche Konvergenz?

Gäste

Silke van Dyk ist Professorin für Politische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie forscht zum Wohlfahrtsstaat, zur Soziologie der Demografie, zu Gesellschaftskritik, Diskurstheorie und empirischer Diskursforschung.

Romin Khan arbeitet als Referent für Migrationspolitik und Antirassimus bei verdi. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Machʼ meinen Kumpel nicht an!“; der aus der „SOS racisme“ Bewegung der 80er-Jahre entstandene Verein setzt sich gegen Rassismus in der Arbeitswelt ein. Romin Khan hat Politik, Soziologie und Geschichte studiert.

Manon Garcia ist Assistant Professor für Philosophie an der Yale Universität. Sie arbeitet aus feministischer Perspektive zu politischer Philosophie, Moralphilosophie und zu ökonomischen Themen. Letztes Jahr erschien ihr Buch „Wir werden nicht unterwürfig geboren. Wie das Patriarchat das Leben von Frauen bestimmt“

Amna Akbar ist für Rechtswissenschaft an der der Ohio State University. In ihrer Arbeit setzt sie sich aus einer abolitionistischen Perspektive mit dem Verhältnis von Strafrecht, Polizeiarbeit und Ungleichheit auseinander; dabei arbeitet sie mit sozialen Bewegungen zusammen und beschäftigt sich mit sozialem Wandel. Amna Akbar ist Mitherausgeberin der „Clinical Law Review“.

 

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Die zentralen Momente aus der Diskussionsrunde.

 




Die gesamte Veranstaltung zum Nachschauen.

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